Doping gibt es nur im Radsport
Heute ist die Tour de France nach drei Wochen 21 Etappen und 3430 Kilometer zu Ende gegangen. Damit endet auch die Übertragung der Tour im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Ab 2012 werden die Zuschauer von ARD und ZDF die Tour nicht mehr live dabei sein. Schuld ist vor allem das systematische Doping im Radsport. Eine verlogene Debatte.
Ja, ich habe mir die Übertragung der Tour angesehen. Wie die letzten Jahre auch. Wie sich die Fahrer die Berge hochquälen, sich bis zum vorletzten Tag (am letzten Tag gibt es traditionell keine Angriffe auf das Gelbe Trikot mehr) einen erbitterten Kampf um die Sekunden liefern, die Spannung, die Landschaft und die Geschichten vergangener Touretappen. Es hat seinen eigenen Reiz. Und jetzt soll das nicht mehr live im Fernsehen übertragen werden?
Mein Interesse an der Tour wurde 1997 und dem Sieg von Jan Ullrich geweckt. Ein Jahr später war der erste große Dopingskandal. Ein Betreuer der Mannschaft Festina wurde erwischt, wie er versuchte größere Mengen EPO über die belgisch-französische Grenze zu schmuggeln, um es zur Mannschaft zu bringen. Nach der 7. Etappe wurde das komplette Team Festina von der Tour ausgeschlossen. Kurze Zeit später wurde bekannt, dass auch ein Wagen der niederländischen Mannschaft TVM-Farm Frites einige Monate zuvor mit EPO-Ampullen an der französischen Grenze erwischt worden war. Daraufhin wurde das Teamhotel durchsucht, Blut-, Urin- und Haarproben genommen und die Fahrer und die Betreuer bis nach Mitternacht verhört. Das übrige Fahrerfeld reagierte am nächsten Tag mit einem Streik. Statt sich ein Rennen zu liefern, fuhr das gesamte Feld an diesem Tag gemeinsam in langsamen Tempo dem Zielort entgegen. Kein Ausreißversuch, kein Kampf um die Punkte, kein Sieger. Zwischenzeitlich wurde sogar angehalten und über einen Abbruch der Tour verhandelt. Die Etappe wurde nicht gewertet. Es war jedoch kein Protest gegen Doping, sondern gegen das Vorgehen der Organisatoren gegen die Fahrer von TVM-Farm Frites.
Seitdem hat sich in Sachen Doping viel getan. Der Kampf gegen Doping wurde massiv verstärkt, die Zahl der Dopingkontrollen hat sich deutlich erhöht, in Frankreich ist Doping mittlerweile – anders als in Deutschland – sogar ein eigener Straftatbestand. Nach einigen Beichten und einer Vielzahl von erwischten Dopingsündern in zahlreichen Sportarten, erscheinen viele der früheren Leistungssteigerungen und Erfolge heute in einem anderen Licht. Systematisches Doping soll es aber nur im Radsport ge(ge)ben (haben)!? Im Radsport dopt jeder, alle anderen Sportler sind Einzelfälle. Doping ist Radsport und Radsport ist Doping. Wie einfach die Welt doch ist!
Dieses Jahr gab es bei der Tour einen Dopingfall bei 198 Fahrern. Der Russe Alexander Kolobnew des Teams Katjuscha wurde positiv auf die Substanz Hydrochlorothiazid getestet. Das harntreibende Mittel steht auf der Liste der verbotenen Substanzen. Es hat maskierende Wirkung und wird eingesetzt, um andere Doping-Substanzen im Körper zu verschleiern. Neben einer Sperre droht ihm eine Vertragsstrafe in Höhe seines fünffachen Jahreseinkommens!
Im Vergleich zu anderen Sportarten verdienen Radfahrer nicht gerade viel. Alberto Contador, der Bestverdiener im Radsport, bekommt ein Gehalt in Höhe von 3,1 Millionen im Jahr, Andy Schleck ist auf Platz zwei der Verdienstliste mit 1,9 Millionen Euro vor Cadel Evans mit 1,6 Millionen Euro. Dazu bekommt der Sieger der Tour de France 450.000€, der Zweite 200.000€ und der Dritte noch 100.000€. Diese Prämien werden jedoch unter den Teammitglieder aufgeteilt, da eine solche Platzierung ohne die Helferdienste der anderen Fahrer nicht möglich ist. So richtig viel Geld wird also im Radsport, im Vergleich mit Tennis oder Fußball, nicht verdient.
Natürlich leuchtet es ein, dass es im Radsport – bei dem es um viel weniger Geld geht – gedopt wird, beim Fußball aber nicht. Doping bringt im Fußball nichts. Versteht doch jeder. Unterstützung beim Muskelaufbau ist ja im Fußball unnötig, wer braucht da schon Muskeln!? Ebenso wenig ist es entscheidend, wer in der 89. Minute noch ein bisschen schneller als der Gegner rennen kann. Auch Möglichkeiten der Konzentrationsverbesserungen oder schnelleren Regeneration hätten keine Auswirkungen auf die Leistung einer Fußballmannschaft. Deshalb gab es ja auch noch keine Dopingfälle im Fußball. Und es waren auch nur Radfahrer Patienten Kunden von Herrn Fuentes. Die Fußballer von Real Madrid und FC Barcelona wollten nur ein bisschen schneller mit dem Fahrrad zum Training fahren können. Das hatte überhaupt keinen Bezug zum Fußball.
2007 stiegen die Öffentlich-Rechtlichen vorübergehend aus der Tour-Berichterstattung nach der positiven Dopingprobe von Patrik Sinkewitz aus. Nun also das endgültige Aus. Es ist diese Einseitigkeit, die verlogen ist. Was würde die ARD bei einem positiven Dopingfall im Fußball machen? Auch ganz betroffene Statements verlauten lassen und dann aus der Berichterstattung aussteigen? Wohl kaum! Nein, beim Fußball werden alle die Augen zugedrückt und sich ganz fest eingeredet, dass nur im Radsport gedopt wird. Sehen wir doch der Tatsache ins Auge, dass es nicht nachvollziehbar ist, warum nicht auch im Fußball gedopt werden sollte. In dem einen Sport geht es um Hunderttausende, im anderen um zig Millionen.
Aber vielleicht sehe ich das aber auch zu eng und die Fußballer dopen wirklich nicht. Immerhin wurden in der Saison 2009/2010 ganze 2100 Kontrollen durchgeführt. Davon waren 1600 Wettkampfkontrollen, die in 13 Spielklassen (erste, zweite und dritte Bundesliga, alle drei Regionalligen, die Frauen-Bundesliga und je drei Junioren-Bundesligen für A- bzw. B-Jugendliche – also knapp 5.000 Spieler), und 500 Trainingskontrollen, die in den ersten beiden Ligen (ca. 1200 Spieler) durchgeführt wurden.
Alleine bei der dreiwöchigen Tour de France waren es bei 198 Fahrern 500 Kontrollen.