Kindergarten Bundestag: Viel Geschrei um das Programm der Linken
„Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die mutmaßlich schwerste Krise Europas seit dem Kriegsende, dramatische Situationen, wir müssen Handlungsfähigkeit beweisen, Euro und Europakrise – da steht auch der Bundestag vor immensen Herausforderungen.“
So begann die Rede von Patrick Kurth (FDP) letzten Donnerstag im Bundestag. Bei der momentanen Situation ist das kein ungewöhnlicher Anfang für eine Rede. Euro-Krise, Rettungsschirm, Bankenregulierung, Occupy-Bewegung,… nichts von alledem war Gegenstand der besagten Debatte. Nein, die schwarz-gelbe Koalition hatte eine aktuelle Stunde zum neuen Grundsatzprogramm der Linken beantragt.
Eine aktuelle Stunde ist gemäß § 106 der Geschäftsordnung des Bundestages eine „Aussprache über ein bestimmt bezeichnetes Thema von allgemeinem aktuellen Interesse in Kurzbeiträgen von fünf Minuten“. Inwiefern das Programm der Linken von allgemeinen aktuellen Interesse ist, sei mal dahingestellt. Zumindest zeigt es aber, dass selbst in Krisenzeiten die Koaltionäre nichts besseres zu tun haben, als sich einmal zur Mittagszeit (da ist eine größere Aufmerksamkeit garantiert als Abends um 18 Uhr) so richtig schön an der Linken abzuarbeiten. Wenigstens einmal sich einig sein, einmal nicht die eigenen Wähler gegen sich aufbringen, da müssen wichtigere Themen halt mal zurückstehen.
Die Debatte selbst war dann Kindergarten für Fortgeschrittene. Es wurde geplärrt was das Zeug hielt. Die Redner der CDU und der FDP beschwörten das Bild der DDR, die SPD war beleidigt und wollte sich nicht den Begriff des „Demokratischen Sozialismus“ nehmen lassen, die Grünen kritisierten einerseits das Programm der Linken, verglichen deren Verstaatlichungsphantasien dann aber mit der Teilverstaatlichung der EnBW durch Herrn Mappus. Letzteres fand die CDU nicht so witzig, da doch eigentlich „Alle gegen die Linke“ gespielt werden sollte und nicht eine ernsthafte Diskussion stattfinden sollte. Also wurden die Grünen auch noch ein bisschen mit Bauklötzchen beworfen.
Die Linke verteidigte gegen die Angriffe ihr Programm was das Zeug hielt. Da die eigene Redezeit begrenzt war, wurden die Redner der anderen Fraktionen durch Zwischenrufe gestört. Der Tagesordnungspunkt dauerte 52 Minuten, die Linksfraktion tätigte laut dem Protokoll (ab Seite 16124) insgesamt 134 Zwischenrufe! Ganz besonders aktiv war dabei Herr Dr. Diether Dehm, der alleine 43 Zwischenrufe beisteuerte und zudem einmal einen Gesang anstimmte. Damit tätigte die Linke insgesamt mehr als dreimal so viele Zwischenrufe wie alle anderen Fraktionen zusammen. Die CDU rief 24 dazwischen, die SPD 6, die FDP 4 und die Grünen ebenfalls 4, wovon jedoch einer die Aufforderung an die Linke war, endlich ruhig zu sein.
Die Taktik der Linken ging offensichtlich auf – mehrere der Redner fühlten sich massiv gestört. Die Bundestagsvizepräsident Petra Pau, die die Sitzung leitete, versuchte anfänglich ihre Fraktion noch durch Handbewegungen zu beruhigen, hatte damit jedoch ebenso wenig Erfolg, wie mit ihren zahlreichen Ermahnungen.
Alles in allem war es ein großer Kindergarten: Die CDU und die FDP wollten die Linke ärgern, die ärgerte zurück, die SDP schmollte in der Ecke – nur die Grünen hatten offenbar das Spiel nicht verstanden und wollten ernsthaft diskutieren.
Gäbe es keine wichtigeren Themen, es wäre unterhaltend.