[Update] Vertraulichkeit ist nichts für die Uniklinik Freiburg!
Ich habe neulich Claudia kennen gelernt. Sie hat braune Haare, ist momentan gesund, 1,72m groß und wiegt 60kg. So ganz sicher ist sie sich bei ihrem Gewicht nicht, es können auch 2kg weniger sein. – Sie heißt nicht wirklich Claudia, aber ich nenne sie jetzt einfach mal so.
In Situationen, in denen sie aufgeregt ist, neigt sie zu einem hohen Puls. Als ich sie kennenlerne, ist ihr Ruhepuls 123. Das doch deutlich höher als normal. Ihr Hämoglobinwert ist üblicherweise bei knapp über 14, ausnahmsweise ist er jetzt bei 15,8. Krankheiten hat sie keine, sie nimmt aber Jodtabletten. Das liege in der Familie. Im Sommer war sie für mehrere Wochen in Peru unterwegs. In Malariagebieten war sie aber nicht. Ein Tropenarzt hat ihr vor der Reise die gefährdeten Gebiete gezeigt, die hat sie alle gemieden.
Eigentlich haben wir uns nicht richtig kennen gelernt. Also sie mich nicht. Nur ich sie. So ein bisschen halt. Aber immerhin. Vermutlich weiß sie auch nicht, was ich alles über sie weiß. Sie war einfach nur zur gleichen Zeit wie ich am gleichen Ort. Blutspenden in der Uniklinik Freiburg. Wer etwas über andere Menschen erfahren möchte, ist dort genau richtig!
Wer dort Blut spenden möchte, muss zuerst einen Fragebogen ausfüllen und sich anschließend einer kleinen Untersuchung unterziehen. Dabei werden Puls, Blutdruck, Temperatur und der Hämoglobinwert gemessen. Die Werte werden auf dem Fragebogen eingetragen, den wirft man dann in ein Fach im Wartezimmer und wartet. Irgendwann kommt dann ein Arzt und ruft einzeln die Spendewilligen auf. Die Aufgabe des Arztes ist es, anhand der Antworten und der gemessenen Werte zu entscheiden, ob der potenzielle Spender sein Blut abgeben darf oder nicht. Dazu wird der Fragebogen kritisch durchgesehen und Nachfragen gestellt. Und dann wird entschieden. Ja oder Nein.
Vieles kann einer Blutspende entgegenstehen. Die Einnahme eines Antiallergikums, eine Durchfallerkrankung, ein Krankenhausaufenthalt, ein zu geringer Hämoglobinwert. Es können aber auch andere Gründe gegen eine Spende sprechen, wie zB. wechselnde oder falsche unerwünschte risikobehaftete Sexualpartner.
Der Entscheidung, ob man spenden darf oder nicht, können also durchaus intime Dinge zugrunde liegen, die niemanden etwas angehen, außer den Betroffenen und den Arzt. Und diesem Umstand trägt die Uniklinik Freiburg großzügig Rechnung! Das Gespräch des Arztes und des Spendewilligen über dessen Fragebogen findet einfach im Wartezimmer statt! Alle anderen sitzen daneben, während ein Arzt mal eben so ein paar Nachfragen zur Gesundheit, früheren Operationen oder zu Krankheiten in der Familie stellt.
Es gäbe zwar auch ein eigenes Arztzimmer, aber das ist leider fast 10 Meter nicht mal 5 Meter von dem Fach mit den Fragebögen entfernt! 5 Meter! Wenn man das hochrechnet, was man da so am Tag gehen müsste! Nein, da ist es schon verständlich, dass die Ärzte – alle Ärzte machen das dort so – lieber neben dem Fach stehen bleiben und in aller Öffentlichkeit die Gesundheit der Spender diskutieren.
So hörte ich unfreiwillig das Gespräch zwischen der Ärztin und Claudia mit, die trotz aller Bedenken dann doch spenden durfte. Nur ihren Vornamen habe ich nicht erfahren.
Auch nach mehrfachen Rückmeldungen über mehrere Jahre hinweg, hat sich an der Praxis bisher nichts geändert. Lediglich die Blutwerte von Claudia habe ich leicht abgeändert.
[Update: Die Uniklinik hat reagiert]
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Der Fragebogen ist ja super: „Sämtliche Angaben unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht und den datenschutzrechtlichen Bestimmungen.“ – Und dann wird alles in der Öffentlichkeit besprochen. Die haben ja echt Humor!
Das ist doch schon lange so! Nicht das es das besser macht…
guter artikel!
hab das auch schon mitbekommen und auf dem rückmeldezettel geschrieben. gebracht hat es aber nichts!
@Marc: Wenn es nicht so ernst wäre, wäre es lustig.
@Johanna: Hast du dich mal beschwert?
@Freiburgerin: Danke! Steter Tropfen höhlt den Stein… 😉
@Marc: So ist das mit dem gelebten Datenschutz. Bei meiner theoretischen Führerscheinprüfung wurden die Ergebnisse auch vertraulich verhandelt. Und zwar in der Form: „Herr Meyr, sie haben bestanden, Frau Schmidt, sie haben bestanden, Herr Müller, Frau Köhler, kommen sie doch bitte kurz herein.“
Nun, wie wäre es, sich dort zu einer Blutspende zu melden,
Zeugen mitzuführen und dem Idiot^WOnkel Doktor dann
von dritter Seite erklären zu lassen, dass er seine Pflichten
massiv vernachlässigt hat?
Selbst wenn dabei keine Anklage heraus springt habe ich in
anderen Bereichen die Erfahrung gemacht, dass es sich herum
spricht wenn der Kollege Müller von eigenem Geld einen Anwalt
bezahlen musste…
Nur damit man mich nicht missverstehe – ich halte wenig davon,
Hinz und Kunz anzuzeigen – aber manche blicken’s anders wohl
nicht.
steht doch schon geschrieben: ärztlichen Schweigepflicht… Kein Arzt hat hier irgendwas gesagt, oder?
Wie bei @Piotrs Führerscheinprüfung kann auch eine Nichtäußerung bereits eine Aussage sein. Hier werden aber Fragen gestellt und auch Aussagen getroffen, da die Antworten vom Arzt bewertet werden.
Das letzte Mal war das Arbeitszimmer lediglich 3 Meter weg. Nach Diskussion sind wir dann die 3 Meter gegangen.
Der Weg hat sich nicht verlängert. Ich bin mir aber nicht sicher, ob es 3, 4 oder 5 Meter sind. Daher hab ich fast 10 Meter geschrieben. Aber du hast recht, es sind nicht mal 5! Ich habs geändert!
Wie wärs dann mit einem dezenten Hinweis an den Arzt, einem Wechsel der Blutspendezentrale oder einem Hinweis beim Datenschutzbeauftragten BW? Das habe ich so weder beim Roten Kreuz noch in der Uniklinik Heidelberg erlebt.
Da reicht ein Brief an die zuständige Landesärztekammer, und der Herr Doktor hat ein Berufsrechtsverfahren wegen Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht am Hals und darf sich auf ein Bußgeld seiner Kammer gefasst machen.
Die zuständige Staatsanwaltschaft mag ja noch davon ausgehen, daß ein konkludentes Einverständnis des jeweiligen Gesprächspartners vorgelegen hat – er muß sich ja nicht dort mit dem Arzt unterhalten. Die Ärztekammer sieht das indessen deutlich enger, es ist nämlich schon ein Verstoß gegen die ärztliche Berufsordnung, wenn der Arzt es unterlässt, sich vertraulich mit dem Patienten zu unterhalten.
In München behält man den Zettel bis zum eigentlichen Spenden:
1. Zettel ausfüllen
2. Bei so nem Automaten Blutdruck messen
3. Haematokritwert von einer Schwester messen lassen
4. Mit dem Zettel in der Hand wieder raus auf den Gang und in die Schlange vor dem Arztzimmer einreihen. Da findet dann das Gespräch hinter verschlossenen Türen statt.
5. Da wieder raus, mit dem Zettel in der Hand und zum Spenden.
Manchmal kann eine Lösung sehr einfach sein…
Das ist beim RK-Blutspendedienst Hagen Standart.
Weiß gar nicht was mich mehr schockiert: Die Vorgehensweise oder dass sich da noch niemand nachhaltig quergestellt hat.
Hm, ich hatte mein Gespräch im Zimmer. Hab auch kein Gespräch im Wartezimmer mitbekommen. War aber auch nicht zu einer hoch frequentierten Zeit da.
Trotzdem geht das natürlich gar nicht.
ich bin bisher in den genuß von vermutlich acht arztgesprächen auf dem flur (eine phänomenale Quote von 100% in meiner blutspenderkarriere an der uniklinik) gekommen. ich habe von einem bekannten erfahren, dass dieser eine der „kritischen“ fragen zum sexualpartner unbeantwortet ließ, um eine etwaige reaktion der ärztin zu provozieren, aber das ganze wurde vor der versammelten spenderjüngerschaft übergangen. vielleicht hat der hörsaal des haus langerhans seinen dienst schon getan; es geht nur noch darum, einem spender nach dem anderen die bescheinigung zur preisgabe des roten goldes in die hand drücken zu dürfen. wenn man sich die spenderaufkommen eines durchschnittlichen nachmittages so anschaut, scheint es sich zu lohnen. da liegt der schluss nahe, dass eine herkömmliche patientenbehandlung einfach nicht mehr zeitgemäß weil zu unbequem ist.
Geht es denn im Vierbettzimmer im Krankenhaus anders vor sich? Das macht es sicher nicht besser, aber ist der akut Kranke nicht noch viel weniger in der Lage, seine Rechte gegenüber dem Arzt gegebenenfalls auch entschieden durchzusetzen?
In Ulm (Klinik), Amberg und Nürnberg (Klinik) immer hinter verschlossenen Türen. Geht also auch anders 🙂