Verbot von reinen Frauenlisten in Baden-Württemberg geplant
Zugegeben, der Titel ist etwas reißerisch. Die Grünen in Baden-Württemberg wollen nicht wirklich Frauenlisten verbieten, aber darauf läuft ihr Vorschlag zur Änderung des baden-württembergischen Kommunalwahlgesetzes hinaus.
Dieses soll dahingehend geändert werden, dass nur noch paritätisch besetzte Wahllisten bei der Kommunalwahl antreten dürfen. Abwechselnd sollen Frauen und Männer die Listen besetzen, mit dem Ziel einen größeren Frauenanteil in den baden-württembergischen Gemeinderäten und Kreistagen zu erreichen. Momentan liegt der bei durchschnittlich 22% bzw. 16%.
Gestern legte die Grüne Landtagsfraktion dazu ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten vor. Dieses kommt zu dem Schluss, eine Regelung zur paritätische Besetzung der Wahllisten sei zulässig und schlägt folgende Gesetzesformulierung vor:
„Es kandidieren jeweils zur Hälfte Männer und Frauen. Die Liste ist abwechselnd mit Frauen und Männern zu besetzen, wobei der erste Platz mit einer Frau oder einem Mann besetzt werden kann. Ausnahmsweise dürfen auch die den Frauen vorbehaltenen Listenplätze mit Männern besetzt werden, wenn sich nicht genügend Kandidatinnen zur Wahl stellen bzw. die den Männern vorbehaltenen Listenplätze mit Frauen besetzt werden, falls sich nicht genügend Kandidaten zur Wahl stellen.“
Eine solche Regelung führt aber zu einem unerwünschten Nebeneffekt: Sie verbietet reine Frauenlisten!
Bei der letzten Kommunalwahl in Baden-Württemberg 2009 sind laut Wikipedia 34 Frauenlisten bei Gemeinderatswahlen und eine Frauenliste bei der Kreistagswahl angetreten. Eine dieser reinen Frauenlisten ist die Freiburger Liste „Unabhängigen Frauen Freiburg“, die seit der Kommunalwahl 1994 bei jeder Kommunalwahl jeweils einen Sitz im Freiburger Gemeinderat errang. Sollte es nun tatsächlich zu der geplanten Änderung des Kommunalwahlgesetzes kommen, dürften diese Listen in ihrer bisherigen Form Geschichte sein. Die Frauenlisten müssten bei der nächsten Kommunalwahl ihre Wahlliste dann zur Hälfte mit Männern besetzen!
Eine Ausnahme von der Verpflichtung zur paritätischen Besetzung ist nur zulässig, wenn sich nicht genug Kandidaten finden. Dazu muss aber glaubhaft versichert, dass ernsthaft nach entsprechenden Kandidaten gesucht wurde. Eine reine Frauenliste, die nur Frauen aufstellen will, dürfte es aber sehr schwer haben, diesen Nachweis zu erbringen, da sie ja gerade gar keine Männer auf der eigenen Liste haben möchte und es daher gar nicht in ihrem Interesse ist, Kandidaten zu finden. Wenn es Ziel der Suche ist, niemanden zu finden, kann eine ernsthafte Kandidatensuche aber nicht glaubhaft versichert werden – außer man führt die gesamte Regelung ad absurdum.
Diese Maßnahme, die eigentlich mehr Frauen in die Kommunalpolitik bringen soll, könnte sich also teilweise zum Bumerang entwickeln, indem dadurch Frauenlisten verhindert werden.
[Update: Die Grüne Landtagsfraktion hat via Twitter entsprechende Nacharbeiten angekündigt.]
Da muß die Fraktion wohl nochmals drüber.
Sie hat ja schon angekündigt das zu tun. Wir können gespannt sein, wie das aussehen soll. Nur eine Ausnahme für Frauenlisten kann es nicht geben!
Es gibt ja für eine Partei bzw. Wählerverinigung immer noch die Möglichkeit, bei der Wahl zu Listenvorschlägen für Kandidaten mit „NEIN“ zu stimmen. Insofern kann ich Deinen Artikel logisch nicht nachvollziehen. Selbstverständlich sind immer noch reine Frauen- oder Männerlisten möglich, da die entsprechenden Wählerverinigungen bzw. Parteien immer noch befinden können, dass sich keine geeigneten Kandidatinnen bzw. Kandidaten für einen bestimmt Platz finden lässt…. Das sieht doch der Textvorschlag vor!
So wie ich die Regelung verstehe, soll eine paritätische Besetzung der Wahllisten erreicht werden, indem eine abwechselnde Platzvergabe an Männer und Frauen verpflichtend wird. Damit die Regelung nicht umgangen werden kann ist laut taz eine glaubhafte Versicherung erforderlich, dass ernsthaft nach anderen KandidatInnen gesucht worden sei. Und wenn eine Gruppierung selbst nur ein Geschlecht aufstellen will, wie können sie dann glaubhaft machen, dass sie ernsthaft gesucht haben? Die einzige Lösung dafür ist, dass die Gruppierung selber entscheiden, sie hätten ernsthaft gesucht. Dann wäre die Regelung aber lediglich aktionistisch und würde nichts ernsthaft ändern. Die Gruppierungen, die gerade durch eine solche Regelung zu einer paritätischen Besetzung gezwungen werden, würden ihre Listen doch nicht anders besetzen, wenn sie selbst bestimmen können, ob sie ernsthaft gesucht haben!?
Entweder ist die Regelung ernstgemeint und der Staat kontrolliert die Einhaltung mit der Folge, dass nicht von Vornherein ein Geschlecht ausgeschlossen werden kann, oder jede Gruppierung kontrolliert für sich selbst die Einhaltung. Dann dürfen wir aber nicht ernsthaft glauben, wir würden damit irgendetwas ändern!