Wie der Suhrkamp-Verlag eine Aufführung verbieten kann
Ein Theaterstück steht kurz vor der Aufführung. Der Autor ist einverstanden, als ein Verlag die Aufführung verbietet.
Wie Ruhrbarone berichtet, sollte eigentlich am 4. und 5. Juni das Stück „Chaos“ des finnischen Autoren Mika Myllyaho an der Ruhr-Uni aufgeführt werden. Dazu wird es nun nicht mehr kommen. Der Suhrkamp-Verlag hat die Aufführung unter Androhung rechtlicher Schritte untersagt. Als Grund gibt der Verlag an, er habe die Rechte an dem Stück und diese seien nicht eingeholt worden.
Ursprünglich hat der Urheber alle Rechte an seinem Werk. Dabei wird zwischen Urheberpersönlichkeits- und Verwertungsrechten unterschieden. Urheberpersönlichkeitsrechte stehen allein dem Urheber zu und können nicht übertragen werden. Dazu gehört zum Beispiel das Veröffentlichungsrecht. Danach kann allein der Urheber das Recht bestimmen, ob und wie sein Werk veröffentlicht wird. Die Verwertungsrechte regeln die Verwertung eines Werkes. Für jede einzelne Art der Verwertung gibt es ein eigenes Verwertungsrecht. Zu diesen Rechten gehören, neben dem Vervielfältigungs- und dem Verbreitungsrecht, unter anderem auch das Vortrags- und das Aufführungsrecht. Während das Vortragsrecht eine Lesung ermöglicht, erlaubt es das Aufführungsrecht „ein Werk öffentlich bühnenmäßig darzustellen“.
Der Urheber kann anderen das Recht einräumen, das Werk auf einzelne oder alle Nutzungsarten zu nutzen. Bei der Einräumung eines solchen Nutzungsrechts gibt es die Möglichkeit ein einfaches oder ein ausschließliches Nutzungsrecht einzuräumen. Ein einfaches Nutzungsrecht kann mehrfach eingeräumt werden, das ausschließliche nur einmal. Das ausschließliche Nutzungsrecht „berechtigt den Inhaber, das Werk unter Ausschluss aller anderen Personen auf die ihm erlaubte Art zu nutzen und Nutzungsrechte einzuräumen“. Der Inhaber eines solchen Rechtes, kann also als einziger über die entsprechende Nutzung bestimmen. Er kann anderen die entsprechende Nutzung erlauben oder eben, wie in diesem Fall, untersagen. Der Urheber hat dabei kein Mitspracherecht mehr.
Verlage haben natürlich ein Interesse ausschließliche Nutzungsrechte zu bekommen. Würden sie nur ein einfaches Nutzungsrecht eingeräumt bekommen, könnte auch einem anderen Verlag noch ein einfaches Verwertungsrecht eingeräumt werden. Da Verlage jedoch ein Buch nur bei sich veröffentlicht sehen möchten und gleichzeitig auch noch möglichst an allen sonstigen Verwertungsmöglichkeiten verdienen partizipieren wollen, lassen sie sich meistens möglichst viele der Nutzungsrechte als ausschließliche Rechte einräumen.
Ob es sich in diesem Fall um ein Theaterstück oder um eine Lesung handelt, ist nicht entscheidend, da der Autor Mika Myllyaho dem Suhrkamp-Verlag offenbar sowohl das ausschließliche Aufführungs- als auch das ausschließliche Vortragsrecht an seinem Stück eingeräumt hat. Nun kann der Verlag über die Aufführung bestimmen, nicht aber der Autor. Suhrkamp stellt sich auf den Standpunkt, die Rechte seien nicht eingeholt worden. Dann hätte der Verlag das Recht eine Aufführung zu verhindern. In dem Artikel auf Ruhrbarone ist aber auch von einer mündlichen Zusage des Verlages die Rede. Sollte Suhrkamp tatsächlich mündlich die Rechte für die Aufführung zugesagt haben, stellt sich natürlich die Frage, inwieweit sich der Verlag dadurch eventuell schadensersatzpflichtig gemacht hat.
Übrigens, das ausschließliche Aufführungsrecht ist auch der Grund, warum fast keine Stücke von Bertold Brecht in Deutschland gespielt werden. Die Rechteinhaberin Barbara Brecht-Schall erlaubt nämlich nur originalgetreue Aufführungen, die wollen viele Theater aber nicht spielen. 70 Jahre nach dem Tod von Brecht erlöschen die Rechte an seinen Stücken. Diese sind dann gemeinfrei und damit für jeden nutzbar. Ab Anfang 2027 dürften wir also eine Vielzahl von Brecht-Stücken in den deutschen Theatern sehen.