Bei uns schreiben Lobbyisten Änderungsanträge
Auf der gestern zu Ende gegangen Bundesdelegiertenkonferenz diskutierten wir Grüne unter anderem über die Netzpolitik und eine Reform des Urheberrechts. Gerade letzter Punkt war in den letzten Tagen und Wochen heiß umstritten. Während die grünen Kulturpolitiker und die Urheberrechtslobby gegen grundlegende Reformen, wie beispielsweise eine Verkürzung der Schutzfristen, waren, traten die Netzpolitiker für deutliche Veränderungen und eine Liberalisierung des Urheberrechts ein.
Auf Seiten der Reformgegner war dabei unter anderem die grüne Bundestagsabgeordnete Agnes Krumwiede aktiv. Die Konzertpianistin ist Sprecherin für Kulturpolitik der grünen Bundestagsfraktion und stellte mehrere Änderungsanträge. Neben ihrer Abgeordnetentätigkeit sitzt sie jedoch im Aufsichtsrat der Initiative Musik gGmbH.
Die Initiative Musik gGmbH ist eine Gesellschaft zur Förderung von jungen Künstlern im Auftrag der Bundesregierung. Finanziert wird sie unter anderem von der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) und der GEMA.
Die Gesellschaft will aber nicht nur junge Künstler fördern, sondern sie verfolgt noch einen anderen Zweck. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Initiative Musik Prof. Dieter Gorny, der gleichzeitig Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Musikindustrie ist, hat die Ziele, Förderschwerpunkte und Zukunft der Initiative Musik beschrieben und geht dabei auf Punkte ein, die über die Förderung junger Künstler deutlich hinausgehen.
„Musik hat einen unschätzbaren Wert für unser Land, leistet einen enormen Beitrag zum Bruttosozialprodukt und ist damit wirtschaftlich für unser Land wichtig. Dieser Wert ist im vergangenen Jahrzehnt täglich verfallen und sukzessive unsichtbar geworden. Dabei spielt die Rezession in der Musikwirtschaft, in der heute die digitalen Umsätze der Musikindustrie ihre Einnahmen aus dem Verkauf von Tonträgern noch nicht aufwiegen können, eine Rolle. Im Zuge der Digitalisierung ist auch der Wert und damit Wertschätzung jedes einzelnen gegenüber Copyrights ins Bodenlose gefallen. Die Initiative Musik gGmbH will dem etwas entgegensetzen. Sie will Strukturen aufbauen, um Musik aus ihrem wertlosen Schattendasein herauszuholen und mit neuen Werten aufzuladen. Wir tragen dazu bei, dass Musiker und ihr Schaffen wieder im Bewusstsein von Musikliebhabern bis -konsumenten verankert werden. Wir werden Strukturen haben, die es ihnen ermöglichen, aus der kleinen Münze wieder Scheine zu machen.“
Neben der Förderung junger Künstler soll demnach auch für steigende Einnahmen der Musikindustrie gesorgt werden. Da trifft es sich ja gut, dass Herrn Gorny an seiner Seite ist einen Aufsichtsrat hat, „der paritätisch mit sechs Mitgliedern aus der Politik und sechs Mitgliedern aus der Musikwirtschaft besetzt ist. Dies ist für mich ganz entscheidend, um zusammen das ureigene Ziel der Initiative Musik gGmbH fest im Bewusstsein der Gesellschaft zu verankern.“
Es lässt sich nunmal besser politisch für eine Sache werben, wenn man schon einen direkten Draht zu Politikern hat und diese eingebunden sind. Bei Herrn Gorny klingt das dann so:
„Die Initiative Musik gGmbH ist eine großartige Chance, den Dialog zwischen Entscheidungsträgern aus der Musikwirtschaft und der Politik zu intensivieren und darüber ein Stück Anerkennung für das künstlerische Schaffen von Musikern wieder in der Öffentlichkeit zu verankern. Damit reicht ihre Bedeutung weit über ein finanzielles Instrument hinaus.“
Und da verschiedene politische Ebenen für das Wohl der Musikwirtschaft relevant sind, soll dementsprechend auch auf möglichst vielen dieser Ebenen geworben werden:
„Die Initiative Musik gGmbH ist eine Fördereinrichtung im Bereich populärer Musik. Sie wird aber auch eine aktive Plattform für Dialoge sein, die drängende Fragen der Musikwirtschaft aufgreift und politisch auch auf EU Ebene weiter voranbringt. So wie sie auf internationaler Ebene tätig sein wird, mischt sie sich unter die internen, regionalen, föderalistischen Ebenen. Schließlich ist ein Verbund immer stärker in seiner Wirkung als jeder Einzelkämpfer.“
Die Initiative Musik ist eine Lobbyorganisation für die Interessen der Musikwirtschaft, die unter anderem von zwei Verwertungsgesellschaften finanziert wird. Seit kurzem ist Agnes Krumwiede nun ehrenamtliches Aufsichtsratsmitglied dieser Lobbyorganisation der Initiative Musik. In der Diskussion um eine grüne Position zu einer Urheberrechtsreform kämpfte sie aktiv gegen Liberalisierungsbestrebungen und begründete Ihre Änderungsanträge mit den Interessen der Künstler, die andernfalls bedroht würden.
Die Musikindustrie und deren Interessen erwähnte sie mit keinem Wort.