Sozialversicherungspflicht für Minijobs ab 100€ – Keine gute Idee

Die Debatte um das Grüne Bundestagswahlprogramm steht Ende des Monats bevor. Am letzten Aprilwochenende treffen sich die Delegierten zu einem Bundesparteitag in Berlin. Dabei wird auch die Frage der Sozialversicherungspflicht für Minijobs diskutiert werden. In dem Programmentwurf ist die Forderung einer entsprechenden Versicherungspflicht ab 100€ enthalten. Eine Forderung, die für falsch halte. Ein Änderungsantrag sieht daher die Streichung dieses Vorschlages vor.

Begründung des Antrages:

Die derzeitige Situation der Minijobs ist reformbedürftig, das vorgeschlagene Modell geht jedoch in die falsche Richtung. Es muss eine größere Durchlässigkeit auf dem Arbeitsmarkt hergestellt und ein Abbau von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen zugunsten weiterer Minijobs verhindert werden. Eine solche Reform darf aber nicht zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Minijobs gehen.

Bei einem geforderten Mindestlohn von € 8,50 brutto erwirbt einE ArbeitnehmerIn bei einem Minijob keinen Rentenanspruch, der über der grünen Garantierente von € 850,00 liegt. Im Ergebnis führt also das vorgeschlagene Modell durch die zusätzlichen Abgaben zu einem geringeren Nettoverdienst, ohne dass ein entsprechender Mehrgewinn für den/die jeweiligeN ArbeitnehmerIn entsteht.

Zudem haben die Minijobs bei aller berechtigten Kritik auch positive Aspekte. Neben der hilfreichen Funktion für SchülerInnen, Studierende und RentnerInnen, wurden gerade durch die Befreiung der Minijobs von der Sozialversicherungspflicht etliche Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse aus der Schwarzarbeit geholt. Die vorgeschlagene Reform droht dies zunichte zu machen.

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„Rumpsteak ist Steinbrück“ – Warum Peer Steinbrück nicht Kanzlerkandidat bleiben wird

Nach den Äußerungen Steinbrücks hat die SPD mit ihm als Spitzenkandidaten keine Chance mehr, Angela Merkel bei der nächsten Wahl abzulösen. Das Image des einstigen Hoffnungsträgers als geldfixierter Politiker lässt der Parteispitze nur die Wahl zwischen dem Akzeptieren der Wahlniederlage oder der Ablösung des Spitzenkandidaten. Sie wird sich wohl für letzteres entscheiden.

Wahlentscheidungen sind nicht immer rationale Entscheidungen. Ein wesentlicher Teil der Wählerinnen und Wähler entscheidet aus dem Bauch heraus. Ist der Kandidat sympathisch, wirkt er kompetent, ist eine Identifikationsfigur. Dabei spielen die besetzten Themen und Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner, sowie das momentane Image der Partei und ihres Spitzenkandidaten eine entscheidende Rolle. Sie erzeugen eine „Nestwärme“, die die Wählern anspricht und sie dazu bewegen das Kreuz an der richtigen Stelle zu machen bzw. überhaupt erst wählen zu gehen. Im NRW-Wahlkampf schaffte das Plakat „Currywurst ist SPD“ genau diese emotionale Ansprache der eigenen Wählerinnen und Wähler. Die Partei als Vertreterin eines Lebensgefühls.weiterlesen

Geht die Bundesjustizministerin auf Distanz zum Leistungsschutzrecht?

Der Saal ist voll als die Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger mit einer Viertelstunde Verspätung im Radialsystem beim PolitCamp12 eintrifft. Nach einer einführenden Rede zur Netzpolitik stellt sie sich anschließend der Diskussion. Aktuelle Themen gibt es genug: Vorratsdatenspeicherung, Datenschutz, Netzsperren, Urheberrecht, Leistungsschutzrecht. Die Ministerin reißt die Themen kurz an. Dabei sind vor allem ihre Äußerungen zum umstrittenen Leistungsschutzrecht durchaus bemerkenswert.

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Die CDU will eine Domain und schickt die Grünen vor

Seit gut vier Jahren ist die Domain cdu-bundestag.de nun schon registriert. Aber nicht auf die CDU, sondern auf mich. Das hat diese jetzt auch bemerkt und möchte die Domain gerne selbst haben. Selber anfragen traute wollte die CDU wohl nicht, sie schickte die Grünen vor.

Vor vier Jahren wurde bei der CSU, der FDP, der Linken und bei den Grünen jeweils die entsprechende Domain xxx-bundestag.de für die jeweilige Bundestagsfraktion (bzw. Gruppierung) verwendet. Nur bei der CDU nicht. Und auch nicht bei der SPD. Ich registrierte mir daraufhin hin diese Domains, vielleicht ließe sich damit ja mal etwas anfangen.

Etwa ein Jahr später kam eine solche passende Gelegenheit. Die damalige große Koalition beschloss im Juni 2009 – trotz massiver Kritik an dieser aktionistischen Maßnahme – das Zugangserschwerungsgesetz. Fortan sollten kinderpornographische Inhalte hinter einem Stopp-Schild versteckt werden.

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Verbot von reinen Frauenlisten in Baden-Württemberg geplant

Zugegeben, der Titel ist etwas reißerisch. Die Grünen in Baden-Württemberg wollen nicht wirklich Frauenlisten verbieten, aber darauf läuft ihr Vorschlag zur Änderung des baden-württembergischen Kommunalwahlgesetzes hinaus.

Dieses soll dahingehend geändert werden, dass nur noch paritätisch besetzte Wahllisten bei der Kommunalwahl antreten dürfen. Abwechselnd sollen Frauen und Männer die Listen besetzen, mit dem Ziel einen größeren Frauenanteil in den baden-württembergischen Gemeinderäten und Kreistagen zu erreichen. Momentan liegt der bei durchschnittlich 22% bzw. 16%.

Gestern legte die Grüne Landtagsfraktion dazu ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten vor. Dieses kommt zu dem Schluss, eine Regelung zur paritätische Besetzung der Wahllisten sei zulässig und schlägt folgende Gesetzesformulierung vor:

„Es kandidieren jeweils zur Hälfte Männer und Frauen. Die Liste ist abwechselnd mit Frauen und Männern zu besetzen, wobei der erste Platz mit einer Frau oder einem Mann besetzt werden kann. Ausnahmsweise dürfen auch die den Frauen vorbehaltenen Listenplätze mit Männern besetzt werden, wenn sich nicht genügend Kandidatinnen zur Wahl stellen bzw. die den Männern vorbehaltenen Listenplätze mit Frauen besetzt werden, falls sich nicht genügend Kandidaten zur Wahl stellen.“

Eine solche Regelung führt aber zu einem unerwünschten Nebeneffekt: Sie verbietet reine Frauenlisten!

Bei der letzten Kommunalwahl in Baden-Württemberg 2009 sind laut Wikipedia 34 Frauenlisten bei Gemeinderatswahlen und eine Frauenliste bei der Kreistagswahl angetreten. Eine dieser reinen Frauenlisten ist die Freiburger Liste „Unabhängigen Frauen Freiburg“, die seit der Kommunalwahl 1994 bei jeder Kommunalwahl jeweils einen Sitz im Freiburger Gemeinderat errang. Sollte es nun tatsächlich zu der geplanten Änderung des Kommunalwahlgesetzes kommen, dürften diese Listen in ihrer bisherigen Form Geschichte sein. Die Frauenlisten müssten bei der nächsten Kommunalwahl ihre Wahlliste dann zur Hälfte mit Männern besetzen!

Eine Ausnahme von der Verpflichtung zur paritätischen Besetzung ist nur zulässig, wenn sich nicht genug Kandidaten finden. Dazu muss aber glaubhaft versichert, dass ernsthaft nach entsprechenden Kandidaten gesucht wurde. Eine reine Frauenliste, die nur Frauen aufstellen will, dürfte es aber sehr schwer haben, diesen Nachweis zu erbringen, da sie ja gerade gar keine Männer auf der eigenen Liste haben möchte und es daher gar nicht in ihrem Interesse ist, Kandidaten zu finden. Wenn es Ziel der Suche ist, niemanden zu finden, kann eine ernsthafte Kandidatensuche aber nicht glaubhaft versichert werden – außer man führt die gesamte Regelung ad absurdum.

Diese Maßnahme, die eigentlich mehr Frauen in die Kommunalpolitik bringen soll, könnte sich also teilweise zum Bumerang entwickeln, indem dadurch Frauenlisten verhindert werden.

[Update: Die Grüne Landtagsfraktion hat via Twitter entsprechende Nacharbeiten angekündigt.]

Juristendeutsch: Das Eisenbahnkreuzungsgesetz

Das Gesetz über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen – Eisenbahnkreuzungsgesetz (EKrG) stammt aus den Sechziger Jahren und regelt die Kreuzung von Straßen und Eisenbahnen. Es regelt den Bau und die Finanzierung der Kreuzungen. Das klingt erstmal ziemlich langweilig und trocken – ist es auch. In § 1 hat der Gesetzgeber die im Gesetz verwendeten Begriffe definiert und dabei Juristendeutsch in Reinform verwendet, was sich durchaus amüsant liest:

§ 1
(1) Dieses Gesetz gilt für Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen.
(2) Kreuzungen sind entweder höhengleich (Bahnübergänge) oder nicht höhengleich (Überführungen).
(3) Eisenbahnen im Sinne dieses Gesetzes sind die Eisenbahnen, die dem öffentlichen Verkehr dienen, sowie die Eisenbahnen, die nicht dem öffentlichen Verkehr dienen, wenn die Betriebsmittel auf Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs übergehen können (Anschlußbahnen), und ferner die den Anschlußbahnen gleichgestellten Eisenbahnen.
(4) Straßen im Sinne dieses Gesetzes sind die öffentlichen Straßen, Wege und Plätze.
(5) Straßenbahnen, die nicht im Verkehrsraum einer öffentlichen Straße liegen, werden, wenn sie Eisenbahnen kreuzen, wie Straßen, wenn sie Straßen kreuzen, wie Eisenbahnen behandelt.
(6) Beteiligte an einer Kreuzung sind das Unternehmen, das die Baulast des Schienenwegs der kreuzenden Eisenbahn trägt, und der Träger der Baulast der kreuzenden Straße.

Wie lange haben die wohl daran gearbeitet?

Obama ist einfach cool!

So einen Präsident wünscht man sich! Seine humorvolle Rede beim White House Correspondents‘ Dinner ist einfach kein Vergleich zu deutschen Politikern. So eine Rede bekämen die garantiert nicht hin.

Danach durfte Jimmy Kimmel reden, auch diese Rede ist sehenswert. Obama zeigt sich humorvoll und lachte unter anderem über Witze bzgl. seiner Ohren.

So einen coolen Politiker sucht man hierzulande leider vergebens!

Antwort der Uniklinik Freiburg zur Vertraulichkeit bei der Blutspende

Die Uniklinik Freiburg hat mir heute auf meinen Blogbeitrag vom 24. Oktober „Vertraulichkeit ist nichts für die Uniklinik Freiburg!“ geantwortet. Demnach wurden alle Mitarbeiter auf die Einhaltung der ärztlichen Schweigepflicht explizit hingewiesen, medizinische Fragen dürfen nicht in der Öffentlichkeit besprochen werden.

„Sehr geehrter Herr Vaulont,

über die Pressestelle des Universitätsklinikums haben wir erfahren, dass Sie sich in Ihrem Internet-Blog kritisch zu Abläufen in der Blutspende geäußert haben. Sie führen in Ihrem Blog an, medizinische Belange der Blutspender seien so besprochen worden, dass auch unbeteiligte Personen von diesen Kenntnis bekämen.

Wir waren bestürzt zu hören, dass es in der Blutspende offensichtlich zu inakzeptablen Verletzungen der ärztlichen Schweigepflicht gekommen ist. Die Einhaltung der Schweigepflicht ist in unserer Einrichtung wie im gesamten Universitätsklinikum für alle Mitarbeiter verpflichtend vorgeschrieben und deren Einhaltung sollte daher eine Selbstverständlichkeit sein.

Ihren Beitrag haben wir daher zum Anlass genommen, die Abläufe in unserer Einrichtung zu überprüfen. In diesem Rahmen wurden sämtliche Mitarbeiter explizit auf diesen Punkt hingewiesen und die entsprechende Sensibilität angemahnt. Entsprechend wurde klar kommuniziert, dass medizinische Fragen ausschließlich im Arztzimmer oder in einem geschützten Bereich besprochen werden dürfen. Auch wurde klargestellt, dass Verstöße gegen die Schweigepflicht disziplinarische Konsequenzen nach sich ziehen können.

Wir hoffen, durch diese Maßnahmen Ihr Vertrauen wiedererlangen zu können und Sie wieder als Blutspender begrüßen zu dürfen.

Mal sehen, ob sich bei meinem nächsten Besuch tatsächlich etwas geändert hat.

Bei uns schreiben Lobbyisten Änderungsanträge

Auf der gestern zu Ende gegangen Bundesdelegiertenkonferenz diskutierten wir Grüne unter anderem über die Netzpolitik und eine Reform des Urheberrechts. Gerade letzter Punkt war in den letzten Tagen und Wochen heiß umstritten. Während die grünen Kulturpolitiker und die Urheberrechtslobby gegen grundlegende Reformen, wie beispielsweise eine Verkürzung der Schutzfristen, waren, traten die Netzpolitiker für deutliche Veränderungen und eine Liberalisierung des Urheberrechts  ein.

Auf Seiten der Reformgegner war dabei unter anderem die grüne Bundestagsabgeordnete Agnes Krumwiede aktiv. Die Konzertpianistin ist Sprecherin für Kulturpolitik der grünen Bundestagsfraktion und stellte mehrere Änderungsanträge. Neben ihrer Abgeordnetentätigkeit sitzt sie jedoch im Aufsichtsrat der Initiative Musik gGmbH.

Die Initiative Musik gGmbH ist eine Gesellschaft zur Förderung von jungen Künstlern im Auftrag der Bundesregierung. Finanziert wird sie unter anderem von der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) und der GEMA.

Die Gesellschaft will aber nicht nur junge Künstler fördern, sondern sie verfolgt noch einen anderen Zweck. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Initiative Musik Prof. Dieter Gorny, der gleichzeitig Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Musikindustrie ist, hat die Ziele, Förderschwerpunkte und Zukunft der Initiative Musik beschrieben und geht dabei auf Punkte ein, die über die Förderung junger Künstler deutlich hinausgehen.

„Musik hat einen unschätzbaren Wert für unser Land, leistet einen enormen Beitrag zum Bruttosozialprodukt und ist damit wirtschaftlich für unser Land wichtig. Dieser Wert ist im vergangenen Jahrzehnt täglich verfallen und sukzessive unsichtbar geworden. Dabei spielt die Rezession in der Musikwirtschaft, in der heute die digitalen Umsätze der Musikindustrie ihre Einnahmen aus dem Verkauf von Tonträgern noch nicht aufwiegen können, eine Rolle. Im Zuge der Digitalisierung ist auch der Wert und damit Wertschätzung jedes einzelnen gegenüber Copyrights ins Bodenlose gefallen. Die Initiative Musik gGmbH will dem etwas entgegensetzen. Sie will Strukturen aufbauen, um Musik aus ihrem wertlosen Schattendasein herauszuholen und mit neuen Werten aufzuladen. Wir tragen dazu bei, dass Musiker und ihr Schaffen wieder im Bewusstsein von Musikliebhabern bis -konsumenten verankert werden. Wir werden Strukturen haben, die es ihnen ermöglichen, aus der kleinen Münze wieder Scheine zu machen.“

Neben der Förderung junger Künstler soll demnach auch für steigende Einnahmen der Musikindustrie gesorgt werden. Da trifft es sich ja gut, dass Herrn Gorny an seiner Seite ist einen Aufsichtsrat hat, „der paritätisch mit sechs Mitgliedern aus der Politik und sechs Mitgliedern aus der Musikwirtschaft besetzt ist. Dies ist für mich ganz entscheidend, um zusammen das ureigene Ziel der Initiative Musik gGmbH fest im Bewusstsein der Gesellschaft zu verankern.“

Es lässt sich nunmal besser politisch für eine Sache werben, wenn man schon einen direkten Draht zu Politikern hat und diese eingebunden sind. Bei Herrn Gorny klingt das dann so:

„Die Initiative Musik gGmbH ist eine großartige Chance, den Dialog zwischen Entscheidungsträgern aus der Musikwirtschaft und der Politik zu intensivieren und darüber ein Stück Anerkennung für das künstlerische Schaffen von Musikern wieder in der Öffentlichkeit zu verankern. Damit reicht ihre Bedeutung weit über ein finanzielles Instrument hinaus.“

Und da verschiedene politische Ebenen für das Wohl der Musikwirtschaft relevant sind, soll dementsprechend auch auf möglichst vielen dieser Ebenen geworben werden:

„Die Initiative Musik gGmbH ist eine Fördereinrichtung im Bereich populärer Musik. Sie wird aber auch eine aktive Plattform für Dialoge sein, die drängende Fragen der Musikwirtschaft aufgreift und politisch auch auf EU Ebene weiter voranbringt. So wie sie auf internationaler Ebene tätig sein wird, mischt sie sich unter die internen, regionalen, föderalistischen Ebenen. Schließlich ist ein Verbund immer stärker in seiner Wirkung als jeder Einzelkämpfer.“

Die Initiative Musik ist eine Lobbyorganisation für die Interessen der Musikwirtschaft, die unter anderem von zwei Verwertungsgesellschaften finanziert wird. Seit kurzem ist Agnes Krumwiede nun ehrenamtliches Aufsichtsratsmitglied dieser Lobbyorganisation der Initiative Musik. In der Diskussion um eine grüne Position zu einer Urheberrechtsreform kämpfte sie aktiv gegen Liberalisierungsbestrebungen und begründete Ihre Änderungsanträge mit den Interessen der Künstler, die andernfalls bedroht würden.

Die Musikindustrie und deren Interessen erwähnte sie mit keinem Wort.

Erneute Antwort auf die heulende Urheberrechtslobby

Auf Antwort von Herrn Weinrich (Geschäftsführender Vorstand des  Interessenverband des Video- und Medienfachhandels in Deutschland e.V.) habe ich erneut reagiert:

„Sehr geehrter Herr Weinrich,

vielen Dank für Ihre schnelle Antwort.

„Selbstverständlich kann man ein Thema nur aus einem Gesichtspunkt betrachten, dann sollte man aber nicht behaupten, dass man nicht nur einen Blickwinkel einnimmt (30).“

In der Tat kann man an ein Thema entweder pessimistisch oder optimistisch herangehen. Dennoch kann man mit einer optimistischen Sicht auf das Internet verschiedene Blickwinkel einnehmen. Der Antrag versucht sowohl die Sicht der Künstler als auch die der Nutzer unter einen Hut zu bringen, während er aber die Chancen des Internets sieht und nicht mit Ihrer pessimistischen Sicht an das Thema herangeht.

„Das wir in vielen Detailfragen unterschiedlicher Meinung sind ist klar. Vorrangig wurden die Beispiel genannt um zu belegen, dass man alle bekannten Eingriffsmechanismen ablehnt. Die Frage wie man den zu verbessernden Datenschutz gewährleisten will, bleibt somit völlig offen. Diesem Kritikpunkt weicht bisher jeder Grüne aus.“

Dass gerade nicht alle Eingriffsmechanismen abgelehnt werden, hatte ich Ihnen ja bereits in meiner letzten Mail dargelegt! Die Grundfrage ist aber, wie auf die Vielzahl an Urheberrechtsverstößen und die schwindende Akzeptanz des Urheberrechts reagiert werden soll. Während Sie, ohne nennenswerten Erfolge, den Ansatz der verstärkten Kriminalisierung der Nutzer verfolgen, versucht der grüne Antrag mit einer Reform des Urheberrechts auf die Probleme zu reagieren.
Nachdem Sie ursprünglich die Vorratsdatenspeicherung wollten, sind Sie jetzt für einen verstärkten Datenschutz?! Ich begrüße Ihre 180°-Drehung ausdrücklich, kann aber nicht erkennen an welcher Stelle die Grünen hier ausweichen würden! Vielleicht können Sie Ihren Vorwurf an dieser Stelle etwas konkretisieren.

„Dass die Grünen die freiwillige Löschung illegaler Inhalte und voreingestellte Filtersoftware doch zulassen wollen beruhigt. Wieso man es nicht schreibt bleibt aber unklar.“

Das steht doch im Antrag! In Zeile 352 ff. geht es um die Zertifizierung von Jugendschutzprogrammen. „Wichtig ist uns, dass die Kriterien, warum Inhalte zugänglich oder unzugänglich sein sollen, transparent und nachvollziehbar sind. Andernfalls ließe sich Missbrauch oder einseitige Kommerzialisierung nur schwerlich verhindern. Die ersten Entscheidungen der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zur Zertifizierung von Jugendschutzprogrammen werden wir auf dieser Grundlage genauestens prüfen und den Einsatz und die Ergebnisse dieser Software kritisch begleiten.“ Damit wird deutlich, dass Jugendschutzsoftware nicht per se abgelehnt wird. Aber das hatte ich Ihnen ja auch bereits in der letzten Mail geschrieben, ebenso wie ich Ihnen auch bezüglich der Frage der Löschung illegaler Inhalte in meiner letzten Mail die entsprechende Stelle im Antrag genannt habe. Ihren Vorwurf an dieser Stelle kann ich daher nicht nachvollziehen!

„Netzneutralität – Hier verkürzen Sie die Debatte: Es gibt in der Diskussion Stimmen, die die Netzneutralität ausdrücklich auf legale Daten beziehen. Es gibt auch Sorgen, dass anderer Verkehr auf Druck einzelner Unternehme verlangsamt versendet wird.“

Ich bin mir einer Verkürzung der Debatte bewusst, sehe es an dieser Stelle aber als legitim an, da es lediglich um eine Widerlegung Ihrer Behauptung ging, durch eine Beibehaltung der Netzneutralität stiege die Zahl der Spammails. Dies hat aber, wie dargelegt, nichts miteinander zu tun! Ihrer Antwort entnehme ich, dass Sie Ihre diesbezügliche Behauptung nicht mehr aufrecht erhalten?!

„Wir halten nichts von der Kulturflaterate. Die Debatte können wir auch gerne führen. Der Vorwurf liegt aber insbesondere darin, dass man dieses erst als Konzept entwickeln will, während aber schon feststeht, dass die Urheberrechte eingeschränkt werden.“

Wie genau das Konzept der Kulturflatrate aussehen soll, richtet sich nach verschiedenen Faktoren, unter anderem auch nach der europäischen Ebene. Detailfragen sind daher nachvollziehbarer Weise noch ungeklärt, der Grundrahmen ist jedoch klar. Eine Einschränkung der Urheberrechte in ihrer bisherigen Form ist bei der Kulturflatrate jedoch zwingend. Sie ist die Grundlage für das Konzept. Daher trifft Ihr Vorwurf auf jeden zu, der über eine Kulturflatrate nachdenkt, aber noch kein fertiges Konzept vor Augen hat. Demnach ist Vorwurf generell auf eine Kulturflatrate bezogen und eben nicht auf die konkrete Diskussion bei den Grünen!

„Wenn man fremde Medieninhalte verbreiten darf, solange man keinen Gewinn erwirtschaftet (= Kostendeckung), dann ist der Verbreitung illegaler Medien Tor und Tür geöffnet. Abgesehen davon, dass dies von außen kaum noch beurteilbar bleibt, muss man nun einfach ein paar Kosten produzieren und schon ist die Verbreitung legal. Sorry, aber da können wir, die viel Geld dafür bezahlen, dass wir die Medieninhalte verbreiten dürfen, schon richtig sauer werden.“

Ich halte Ihre Argumentation nicht für stichhaltig. „Einfach ein paar Kosten produzieren“ und schon verdient man kein Geld mehr mit seiner Plattform! Ein Unternehmen das Geld verdienen will, muss zwangsläufig niedrigere Kosten als Einnahmen haben. Große Angebote, die ein Angebot bieten, das mit Ihnen in Konkurrenz treten kann, werden sich nicht als Hobbyprojekt etablieren lassen. Im Rahmen der Kulturflatrate werden die einzelnen Downloads erhoben. Sobald ein gewisser Umfang an Downloads von einer Plattform erreicht ist, wird man daher auf ein kommerzielles Angebot schließen können, für das dann entsprechende Abgaben fällig werden.
Für Ihr Angebot sehe ich aber aktuell eher die Gefahr von Seiten der legalen Angebote. iTunes und ähnliche Plattformen haben bereits gezeigt, dass sich große und komfortable legale Angebote nicht verhindern lassen und von den Nutzern angenommen werden! Es ist für Nutzer eben deutlich attraktiver sich abends einen Film über das Internet legal und komfortabel in guter Qualität auszuleihen, anstatt quer durch die Stadt zur nächsten Videothek zu fahren, um dann am nächsten Tag den Film wieder zurückzubringen.
So sehr ich Ihre Existenzsorgen verstehen kann, so wenig glaube ich, dass Sie mit Ihrer Angst vor der Zukunft im Internet in diesem Wettbewerb bestehen werden. Entweder Sie reagieren auf die Herausforderungen wie iTunes oder es wird Ihren Verband in 10 Jahren nicht mehr geben!

„Bezüglich Suchmaschinen: Geben Sie einmal einen aktuellen Filmtitel in Verbindung mit dem Wort Download bei Bing ein. Unter den ersten 10 Suchergebnissen befindet sich fast immer mindestes eine Verlinkung zu einem illegalen Angebot. Gleichzeitig gibt es dort Werbeanzeigen. Obwohl bei dieser Nutzung die Kreativen völlig leer ausgehen scheint dies den Grünen egal zu sein – oder soll Bing auch in die Flaterate einzahlen?“

Ich dachte an diesem Punkt an die Rolle der Suchmaschinen in der Diskussion um ein Leistungsschutzrecht für Verlage. Diese „argumentieren“ mit der gleichen Behauptung. In dem von Ihnen klargestellten Punkt gebe ich Ihnen Recht! An dieser Stelle profitieren die Suchmaschinen von illegalen Angeboten. Ich tue mich aber mit einer Lösung schwer, da eine Suchmaschine nicht die Legalität eines Angebots prüfen kann. Auch die Sperrung einzelner Suchbegriffe wäre nicht zielführend, da sie einerseits auch legale Angebote betreffen würde und andererseits umgangen würde. Eine abschließende Antwort auf diese Frage habe ich bisher nicht!

Mit freundlichen Grüßen

David Vaulont“